Der am Dienstag wenige Wochen vor seinem 97. Geburtstag verstorbene Altbundeskanzler Helmut Schmidt erfreute sich auch in der Marktgemeinde über alle Parteigrenzen hinweg großer Wertschätzung und Beliebtheit. 1. Bürgermeister Christian Kiendl stimmte deshalb auch der Bitte von Markträtin Madlen Melzer sofort zu, bis einschließlich kommenden Donnerstag, 19. November, im Foyer des Rathauses während der Öffnungszeiten der Bürgerschaft die Möglichkeit zu geben, sich in Kondolenzlisten einzutragen und so ihrer Verbundenheit und Anerkennung der Verdienste des geschätzten Altkanzlers Ausdruck zu verleihen. Die Kondolenzlisten werden anschließend über den Senat der von Helmut Schmidt heiß geliebten Heimat- und Hansestadt Hamburg an die Familie weitergeleitet. Den Auftakt hatten dazu am Mittwochabend im Schloss Eggmühl Markträtin Madlen Melzer und Marktrat Josef Röhrl gemacht; am folgenden Tag hatten sich in der Bürgerversammlung in Eggmühl zahlreiche Bürgerinnen und Bürger ebenfalls in die Kondolenzlisten eingetragen.
Der verstorbene Altkanzler hatte am 23. Dezember 1919 das Licht der Welt erblickt. Nach der Schule und Abitur folgte der Reichsarbeitsdienst und 1941 die Einberufung zur Wehrmacht. Als Leutnant kämpfte er unter anderem an der Ostfront. Zur Abschreckung wurde Helmut Schmidt nach dem gescheiterten Putsch gegen Hitler zur Teilnahme an den Volksgerichtsprozessen abkommandiert. Diese Erfahrungen prägten ihn bis zum Ende und begründeten sein Eintreten für die Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Frieden und Demokratie. 1942 heiratete er seine Kinder- und Jugendliebe Loki, der er bis zu ihrem Tod 2010 verbunden war. Seinem noch im Babyalter 1943 verstorbenen Sohn folgte 1947 eine Tochter, die wegen der aktuellen Bedrohung durch die RAF 1977 von den Eltern nach England geschickt wurde und dort noch heute mit ihrer Familie lebt. Helmut Schmidt trat 1946 der SPD bei und blieb ihr bis zum Lebensende treu, aber auch kritisch, verbunden. Seine politische Karriere begann 1953 mit dem Einzug in den Bundestag, in dem er sich rasch mit seinen scharfzüngigen Auseinandersetzungen mit Franz Josef Strauß und dem Freiherrn von und zu Guttenberg (dem Großvater des späteren Verteidigungsministers) einen Namen machte. 1961 wechselte er als Innensenator in seine Heimatstadt Hamburg. Sein legendärer Einsatz bei der Hochwasserkatastrophe 1962 hat sich über Hamburg hinaus in das Gedächtnis zahlreicher Menschen eingeprägt. 1965 kehrte Helmut Schmidt in den Bundestag zurück. Von 1966 bis 1969 stand er an der Spitze der Fraktion und managte zusammen mit Rainer Barzel (CDU) das Tagesgeschäft der Großen Koalition im Parlament. Ab 1969 reformierte er als Verteidigungsminister die Bundeswehr. 1972 trat er die Nachfolge von Karl Schiller als Finanzminister an, ehe Helmut Schmidt im April 1974 als Bundeskanzler Willy Brandt nachfolgte. Der erfolgreiche Kampf gegen den RAF-Terror, die zahlreichen Initiativen in der Wirtschafts- und globalen Politik machten ihn zu einem weltweit anerkannten Staatsmann. Er war dem Land und der Welt verpflichtet, würde sein Vorgänger Willy Brandt heute sagen. Nach dem Schwenk der FDP zur CDU/CSU und seiner Abwahl blieb er der Politik als Mitherausgeber der ZEIT in der Rolle des „Elder Statesman“ verbunden. Seine Meinung wurde von sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern geschätzt. Geradlinigkeit, Klartext, Ehrlichkeit, Unbestechlichkeit, Fähigkeit zu Kompromissen, aber auch Führungskraft und –stärke machten Helmut Schmidt zu einem Gradmesser für die politische Klasse.
Unvergessen ist für den früheren SPD-Geschäftsführer Martin Auer den Wahlkampfauftritt von Helmut Schmidt im Frühjahr 1983 in der Regensburger RT-Halle, bei einer seiner letzten Kundgebungen, die Martin Auer organisieren durfte. Bei der Ankunft vor der Halle erlebten alle einen typischen Helmut Schmidt, was einen der Polizisten zu der Bemerkung veranlasste: „Der ist aber heute grantig.“ Ein Kollege von ihm antwortete: „Er ist aber ein großer Staatsmann.“ Dieses Lob aus Polizistenmund gilt bis heute noch – mehr denn je.
Rede Helmut Schmidt auf dem SPD-Bundesparteitag am
4. Dezember 2011 in Berlin