Briefwechsel zwischen einem Deutschen und einem amerikanischen Juden in den Monaten um Hitlers Machtergreifung - Ergreifende Buchlesung von Josef Röhrl und Xaver Treintl im Alten Schulhaus in Schierling
Der SPD-Ortsverein hatte am 11. Oktober 2014 ins alte Schulhaus in Schierling eingeladen. Es sollte eine Veranstaltung zum Gedenken an den Beginn des zweiten Weltkrieges werden, in dessen Verlauf 60 bis 70 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben, eine Veranstaltung wider das Vergessen, wider das Erstarken nationalsozialistischen Denkens.
Josef Röhrl, Marktgemeinderat und Mitglied der SPD-Fraktion, hatte angeregt, den Briefroman von Kathrin Kressmann Taylor, „Adressat unbekannt“ zu einem geeigneten Zeitpunkt öffentlich vorzulesen, da er seiner Meinung nach das zersetzende Gift, mit dem die Nationalsozialisten die Menschen infiziert haben, eindringlich vor Augen führt.
Und tatsächlich hat es Frau Taylor hervorragend verstanden, auf wenigen Seiten, in der Form eines fiktiven Briefwechsels zwischen zwei zunächst Freunden, LeserInnen und ZuhörerInnen klar zu machen, wohin es führt, wenn nationalsozialistisches Denken auf fruchtbaren Boden fällt.
Den in Amerika verbliebenen Juden verkörperte Josef Röhrl und die Rolle des deutschen Geschäftspartners und früheren Freundes übernahm Xaver Treintl, Gebietsleiter der Malteser Helfer vor Ort.
Beide wohnen in Oberdeggenbach, sind tatsächlich Freunde und gelegentlich als Hobby-Vorleser unterwegs. Das Publikum hat ihrem lebhaften, pointierten Vortrag sehr aufmerksam gelauscht, in dem die Menschen hinter den Figuren lebendig wurden und jedem von Beiden hat man jederzeit die momentane Gefühlslage abgenommen, die sie zum Schreiben der jeweiligen Zeilen bewogen hat.
Dem zunehmend fanatischen Max, mit seinen mehr und mehr national verbrämten, judenfeindlichen Denk-und Verhaltensweisen sind im Verlauf der Lesung dann allerdings die Sympathien abhanden gekommen.
Freunde werden zu Feinden, wenn nur glaubhaft und eindringlich genug versichert wird, warum der eine dem anderen überlegen und der Hass aufeinander gerechtfertigt ist.
Die Einsicht, dass die Menschen von 1933 an mit dem Glauben auf der „richtigen Seite“ zu sein, nur missbraucht wurden, um bereit zu sein, für die Machtinteressen der Großindustrie zu sterben oder zu morden, kam leider zu spät.
Mit Hass und Kriegen, wie auch immer begründet, die Welt zu befrieden, war, ist und bleibt ein Irrglaube.
Das Publikum war sich nach ca. einstündigem Zuhören einig, dass der Roman nichts an Aktualität verloren hat und einer Gedenkveranstaltung würdig.
Das eingenommene Eintrittsgeld wird je zur Hälfte den Malteser Helfern vor Ort und der Schierlinger Flüchtlingsbetreuung gespendet.
Eine Wiederholung ist angedacht und wird rechtzeitig angekündigt.