„Ein katholischer Bischof in einer evangelischen Kirche und ausgerechnet dazu noch bei der SPD!“
Diese einmalige Konstellation stellte
Diözesanbischof Dr. Gerhard Ludwig Müller mit launigen Worten gleich zu Beginn seiner Rede über den evangelischen Theologen, Pfarrer, Widerstandskämpfer und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer fest.
Länger als geplant, nämlich fast drei Stunden verbrachte er in der St.-Paulus-Kirche mit seinem Referat, mit der Diskussion, mit der Signierung seines Buches über Dietrich Bonhoeffer und der Eintragung ins Gästebuch der Ausstellung des SPD-Arbeitskreises Labertal.
Die Besucher der knapp zu zwei Drittel gefüllten evangelischen Kirche erlebten einen Diözesanbischof, so ganz anders als in den Medien meistens dargestellt, nämlich freundlich und offen, eben „wie ein von Güte überquellender Vater und nicht der oftmals vermittelte strenge Herr mit dem Schwert“, wie der Hausherr, Pfarrer Thomas Klenner, feststellte.
Nach Meinung von Bischof Müller ist Dietrich Bonhoeffer durch seinen Einsatz für Jesus Christus und für seine Mitmenschen bis in den Tod ein über alle Konfessionen hinweg anerkannter und verehrter Blutzeuge für Jesus Christus, der aber durch seinen Mut, seine Zivilcourage und sein Verantwortungsbewusstsein für die Menschen und sein Volk „ein Leuchtturm für unsere Demokratie sein kann.“ Diese Tugenden seien heute notweniger denn je. Denn die Gefahr drohe nicht nur durch Machteliten oben, sondern mehr noch durch die Verweigerung von Verantwortungsübernahme für die Gemeinschaft und Gesellschaften durch die Bürger.
Bischof Müller: „Bröckelt erst einmal das Fundament, dann besteht die Gefahr, dass irgendwann das gesamte Gebäude vom Einsturz bedroht ist.“ Die Parteien dienten dem Allgemeinwohl und dürften sich nicht, auch bei allen legitimen Unterschieden, als Feinde sehen.
Zu den Gästen des ökumenischen Abends, die Marktrat und SPD-Ortsvorsitzender Armin Buchner begrüßte, gehörten der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern und Präsident des Bundesamtes für Migration, Dr. Dr. h.c. Albert Schmid, der stellvertretende Landrat Josef Weitzer, die Initiatoren der Bonhoeffer-Ausstellung vom SPD-Arbeitskreis, Ruth Müller und Rainer Pasta, Markt- und Kreisrätin Renate Kuntze und den Schierlinger Ausstellungskoordinator Hartmut Gust. Später kamen noch Pfarrer Josef Helm und sein Mitbruder aus Pinkofen, Pfarrer Dr. Joseph Vattathara, hinzu.
Armin Buchner verwies in seinen Begrüßungsworten auf die große Verehrung hin, die Dietrich Bonhoeffer unter den Katholiken im Ausland genieße. Pfarrer Thomas Klenner beschrieb seine persönliche Erfahrung mit dem lebensbejahenden Menschen Dietrich Bonhoeffer und seinen umfassenden literarischen und musischen Interessen, mit dem theologisch brillanten christlichen Mitbruder und dem Kämpfer gegen die Nazidiktatur und für die verfolgten und entrechteten Mitbürger ohne Ansehen der Konfession, des Standes und der Abstammung. Er sah in dem evangelischen Bonhoeffer einen Heiligen auch im katholischen Sinne.
Von Bischof Gerhard L. Müller wollte Pfarrer Thomas Klenner abschließend wissen, welchen Einfluss die Katholische Kirche durch ihre Theologie und ihr Kirchenverständnis auf Dietrich Bonhoeffer gehabt und ihn zu einem ökumenischen Kirchenmann gemacht habe.
Diözesanbischof Gerhard L. Müller schilderte im ersten Teil seinen teilweise sehr persönlichen Weg zu Dietrich Bonhoeffer. Auf der einen Seite der Sohn eines Opel-Arbeiters mit großer SPD-Nähe mit drei Geschwistern in einfachen Verhältnissen, aufgewachsen in einem Mainzer Vorort, dort Dietrich Bonhoeffer mit sieben Geschwistern in eine preußische großbürgerliche Familie mit den besten Verbindungen in die sogenannten „feinen Kreise“ hineingeboren. Das „Wunderkind“ Bonhoeffer qualifizierte sich bereits mit der Habilitation im Alter von 24 Jahren für die Hochschullehrerkarriere. Dass es für den evangelischen Theologen letztendlich doch anders kam, lag nicht nur an der Machtergreifung Hitlers, sondern auch an den Erfahrungen und Begegnungen mit den Menschen in Amerika, England, Spanien und Italien, aber auch mit den Kindern und Arbeitern in der Kommunistenhochburg im Berliner Stadtteil Wedding oder auch mit der näheren Begegnung mit der Katholischen Kirche in Kloster Ettal. Letztendlich hätten diese Erfahrungen Bonhoeffer davon abgehalten, Kirche, Ritus und Theologie im Elfenbeinturm zu sehen, sondern seine Theologie der Kirche in den berühmten Satz münden zu lassen:
„Kirche ist nur dann Kirche, wenn sie für andere da ist.“
Zu diesen „anderen“ zählten auch die jüdischen Mitbürger, deren grausames Schicksal nach der „Reichsprogromnacht“ vom 9. November 1938 ihn seine christlichen Mitbrüder und –schwestern aller Konfessionen auffordern ließ: „Nur wer für die Juden schreit, hat das Recht, gregorianisch zu singen.“
Ausführlich beschäftigte sich der Diözesanbischof mit Dietrich Bonhoeffer als Theologen, Christen und Zeitzeugen. Als solcher habe er schon früh die Gefährlichkeit der Naziideologie Hitlers erkannt und vor ihr gewarnt. Die Mitbegründung der „bekennenden Kirche“ im Widerstand gegen die NS-Diktatur war die logische Folge und letztendlich auch die aktive Teilnahme am militärischen Widerstand ab 1939 zusammen mit seinem Bruder und seinen Schwägern der konsequente Schritt. Seine Ethik der Verantwortung, so der Bonhoeffer-Experte, habe ihn veranlasst, nicht sein Heil in der Flucht ins Exil zu suchen, sondern im Gegenteil vor Kriegsbeginn aus Amerika in seine deutsche Heimat zurückzukehren. „Denn Bonhoeffer wollte bei seinem Volke sein“, sagte der Bischof. Die Konsequenz seines Lebens und sein unerschütterlicher Glaube an Jesus Christus habe ihn zu einem Blutzeugen über alle Konfessionsgrenzen hinweg werden lassen und mache ich zu einem ökumenischen Heiligen.
Dem Vortrag von Bischof Dr. Gerhard Müller schloss sich eine längere Diskussion an. Von Pfarrer Klenner zu seiner Haltung zu den „Pius-Brüdern“ und den anstehenden Priesterweihen in Zaitzkofen befragt, sagte der Bischof, dass diese als Menschen und Christen zu achten und zu respektieren seien. Mit ihrer ablehnenden Haltung zum Konzil und ihren bewussten Verstößen gegen das Kirchenrecht hätten sie sich aus der Gemeinschaft der katholischen Kirche selbst hinauskatapultiert. Bei den Priesterweihen in Zaitzkofen handle es sich um eine nach dem kanonischen Recht nicht erlaubte Weihehandlung, weil die Erlaubnis des Ortsbischofs dafür nicht vorliege.
Die evangelische Kirchengemeinde dankte Bischof Müller mit einer leckeren Sankt-Paulus-Torte. Die SPD-Kreisvorsitzende von Landshut-Land und Initiatorin der Ausstellung, Ruth Müller, und der SPD-Ortsvorsitzende Armin Buchner sorgten sich mit dem Schierlinger Geschenkkorb um das leibliche Wohl des hohen Gastes und überreichten ihm eine in einer Kollekte gesammelten ansehnliche Spende für seine Straßenkinder-Projekte in Lateinamerika. Mit einem gemeinsamen Vaterunser schloss diese ökumenische Begegnung mit dem katholischen Diözesanbischof.
Anschließend signierte er sein Buch, das er in diesem Jahr unter dem Titel „Dietrich Bonhoeffer begegnen“ veröffentlicht hatte.
„Mit Dank für die Einladung an SPD und die evangelische Gemeinde und die rege Diskussion!“
trug sich Bischof Müller in das Gästebuch der Ausstellung ein, um sich dann noch trotz der fortgeschrittenen Zeit Gesprächen mit Veranstaltungsteilnehmern zu widmen.