Mehr Mitgliedsrechte ja, (Mitglieds-)Rechte für Nichtmitglieder nein - aber dennoch bürgernaher werden!
Ein Diskussionsimpuls zur aktuellen Debatte um die Einbeziehung von Nichtmitgliedern in Entscheidungsprozesse der Partei von Sebastian Roloff, Juso Bezirksvorsitzender Oberpfalz:
Sigmar Gabriel und Andrea Nahles sind 2009 in Dresden angetreten, u.a. um für eine neue Beteiligungskultur in der SPD zu sorgen und die Partei und ihre Entscheidungs- und Diskussionsprozesse zunehmend für Bürgerinnen und Bürger, die nicht Parteimitglieder sind, zu öffnen, um u.a. so verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Mittlerweile liegen erste Grundzüge der Vorstellungen des Parteivorsitzenden vor, die u.a. vorsehen, den/die SPD KanzlerkandidatIn in einer Urwahl zu bestimmen und Listen der Partei auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene durch Nichtmitglieder mitbestimmen zu lassen.
Das Anliegen, diese Diskussion anzustoßen ist zunächst sehr begrüßenswert und es gibt einige Maßnahmen, die in der Tat für die parteiinterne Beteiligungskultur hilfreich wären. So ist eine möglichst breite Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten von Parteimitgliedern außerordentlich wünschenswert und wäre ein wesentlicher Beitrag, um die SPD als Mitglieder- und Beteiligungspartei attraktiver zu machen.
Aktuell beschränken sich die Mitwirkungsmöglichkeiten für die vielbeschworene Basis (also Mitglieder, die keine Funktion inne haben) auf die Wahl von Delegierten des Ortsvereins auf Kreis- und /oder UB- Ebene und eine Beteiligung an Diskussionen im Ortsverein. Es wäre wohl unbestrittenerweise eine Steigerung der Attraktivität der Mitgliedschaft in der SPD, wenn sich hieran weitere Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeiten anschließen würden.
So sind Urwahlen von KanzlerkandidatInnen, Parteivorsitzenden, aber sofern sie praktikabel sind durchaus auch von KandidatInnen für Mandate, durch die Basis der jeweiligen Untergliederung, prinzipiell eine begrüßenswerte Idee. Zum Beispiel die Praxis der britischen Labour Party kann hierfür in gewisser Hinsicht Vorbild sein, was aber natürlich nur für die monatelange breite Diskussion im Rahmen von „leadership-campaigns“ gilt, die einen großen Beitrag zur Mobilisierung der Parteibasis und auch einer Vergrößerung der Mitgliedschaft führen, und keinesfalls für ein massiv höheren Stimmenanteil von Unterhausabgeordneten und die in Deutschland nicht praktikable Miteinbeziehung bestimmter Gewerkschaftsmitglieder.
Schwierig werden die Vorschläge allerdings, wenn sie auch Nichtmitgliedern Mitgliedsrechte zugestehen möchten. Unzweifelhaft ist es sinnvoll, die inhaltlichen Diskussionsprozesse der Partei auch mit und in der Gesellschaft zu führen und natürlich kann die SPD die Frage der Wählbarkeit ihrer eigenen potentiellen KandidatInnen nicht völlig außer Acht lassen, allerdings würde ein Modell, dass jedeR BürgerIn, der/die zu einer Parteiversammlung kommt und sofort bis auf die Wählbarkeit für Parteifunktionen sämtliche Mitgliedsrechte in Anspruch nehmen kann, zu einer gewissen Entwertung der formalen Mitgliedschaft in der SPD führen.
Als Person, die zwar keine Funktion in der Partei übernehmen möchte, gerne aber auf lokaler Ebene aber beteiligt ist (und die weit überwiegende Anzahl der SPD Mitglieder hat keine Funktion), hat man so keinen „Grund“ mehr für einen Beitritt zur SPD. Es ist kein Argument ersichtlich, warum innerparteiliche Entscheidungsprozesse nicht innerparteilich bleiben sollten, insbesondere da keinem/keiner Interessierten, der/die bei einem Entscheidungsprozess in der SPD mitwirken möchte, der Parteibeitritt verwehrt ist.
Dieses Argument hindert die SPD (auf allen Ebenen) aber in keinster Weise, Möglichkeiten aktiver BürgerInnenbeteiligung, sei es in inhaltlichen oder teilweise auch personellen Fragen, zu schaffen oder auszubauen. Gerade in Bundesländern, bei denen die Kommunalwahllisten nicht starr sind, sondern von den WählerInnen verändert werden können, haben sich zum Beispiel Programmforen, öffentliche Fraktionssitzungen, KandidatInnenforen, spezielle thematische Informationsabende etc. gut bewährt und die SPD täte sehr gut daran, sowohl was die Beteiligung von Nichtmitgliedern, aber auch die Frage von innerparteilichen Diskussions- und Entscheidungsprozessen betrifft, basis- und bürgerInnenfreundlicher zu gestalten. Die Entscheidung über Listenvorschläge etc. sollte aber weiter bei möglichst breit legitimierten Delegierten oder der jeweiligen Mitgliedschaft insgesamt liegen.