Zu Gast ist die Seliger-Gemeinde vom 12. bis zum 24. August 2014 mit ihrer bundesweit gerühmten Ausstellung in der Aula des ehrwürdigen Klosters Rohr. Auf 40 Schautafeln schildert die Seliger-Gemeinde die bewegte Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung vom österreichischen Kaiserreich über Zeit der tschechoslowakischen Republik mit ihrem aufrechten Kampf für Demokratie und gegen Faschismus, für Völkerverständigung und gegen Nationalismus und Ignoranz. Die Seliger-Gemeinde wurde 1951 als Nachfolgeorganisation der „Treuegemeinschaft“ Deutsche-Sozialdemokratische-Arbeiter-Partei (DSAP) in der Tschechoslowakei gegründet. Fünf Jahre vorher, im Frühjahr 1946, fanden im niederbayerischen Rohr die Benediktinermönche des Klosters Braunau nach ihrer Vertreibung eine neue Heimat. Das Kloster Rohr ist seit dieser Zeit nicht nur ein Zentrum der sudetendeutschen Kulturpflege und Tradition, sondern verstand und versteht sich immer auch Pfeiler der Brücke zwischen der neuen und der alten Heimat, der Versöhnung und der gemeinsamen Zukunft in Europa verpflichtet.
Die Ausstellung
Eröffnet wird die Ausstellung am Dienstag, 12. August, um 10:00 Uhr, in der Aula durch den Prior des Klosters Rohr, Frater Franz Neuhausen. Er wird nach den Grußworten der prominenten Gäste eine kurze Einführung mit der Überschrift „Die Abtei zum heiligen Wenzel zu Braunau in Rohr – Brücken bauen zwischen alter und neuer Heimat“ geben. Karl Garscha, Mitglied des Bundesvorstandes der Seliger-Gemeinde, stellt anschließend die Ausstellung vor. Mit einem Rundgang durch die Ausstellung und einem Imbiss und Getränken auf Einladung des Klosters endet die Eröffnungsfeier, zu der die Bevölkerung herzlich eingeladen ist. Die Ausstellung ist täglich vom 9:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist kostenlos.
Im Rahmen der Ausstellung stellt am Dienstag, 19. August, um 19:00 Uhr in der Aula der langjährige Vizepräsident des Bayerischen Landtages Franz Maget das zum Deutschen Katholikentag in Regensburg erschienene Buch „Kirche und SPD. Von Gegnerschaft zu Gemeinsamkeiten.“ mit zahlreichen Beiträgen, darunter von Reinhard Kardinal Marx und dem evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, vor. Franz Maget wird im Anschluss Bücher signieren.
Pontifices - Brückenbauer
Der Brückenschlag durch die Ausstellung zwischen dem Kloster und der Seliger-Gemeinde könnte nicht besser sein. Denn auch sie ist ein Brückenpfeiler zwischen der alten und der neuen Heimat und engagiert sich für Versöhnung und Frieden und ein gemeinsames Europa. Die Verfolgung der sudetendeutschen Sozialdemokratie begann schon vor mehr als 75 Jahren durch die Nationalsozialisten. Viele flüchteten nach dem Münchner Abkommen und der Besetzung des Sudetenlandes ins tschechoslowakische Asyl und landeten nach der Okkupation von 1939 in den Konzentrationslagern oder flohen weiter ins europäische Asyl. Die Vertreibung ab 1945 beendete in der böhmischen Heimat die Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokratie, die 1863 in Asch ihren Anfang nahm.
Aber auch für die Benediktinermönche des Doppelklosters Brevnov-Braunau begann schon 1939 unter den deutschen Besatzern eine schwere Zeit. Die fast 700-jährige Verbindung des Klosters Braunau mit dem schon im Jahr 993 gegründeten Mutterkloster Brevnov musste beendet werden. 1945 folgte die Vertreibung nach Bayern. Die Kommunisten vertrieben dann 1950 die tschechischen Mönche des Stammklosters Brevnov, von denen ein Teil in Rohr Zuflucht und Heimat fand. Zusammen mit der katholischen Vertrieben-Organisation der Ackermann-Gemeinde wurde das Kloster zu einem Zentrum für Deutsche und Tschechen.
Sudetendeutsche – der 4.Stamm
Die Verdienste der Sudetendeutschen, - die der sozialdemokratische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner zum 4. Stamm der Bayern erklärt hatte -, für die politische und wirtschaftliche Entwicklung Bayerns sind unbestritten und allgemein anerkannt. Ein sichtbares Zeichen dafür ist das Kloster Rohr als religiöser, kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt der aufstrebenden Marktgemeinde Rohr. Dass diese Chancen schon früh gesehen wurden, zeigt eindrucksvoll das Grußwort der Mittelbayerischen Zeitung unter ihrem Verleger Karl Esser (SPD) an die „Sudetendeutschen Neubürger“, vom 11. April 1947 anlässlich der zweitägigen sozialdemokratischen Flüchtlingskonferenz mit über 800 Delegierten aus dem ehemaligen vom 12. bis 13. April 1947 in Regensburg, an der auch die führenden bayerischen Sozialdemokraten Wilhelm Hoegner, Waldemar von Knoeringen und Innenminister Josef Seifried teilnahmen:
„Es waren die sudetendeutschen Sozialdemokraten, die den Opfern des Hitlerfaschismus im Jahre 1933 selbstlos halfen, als diese über die Grenzen in ein neues Asylland strömten. Die sudetendeutschen Freunde gewährten diese großzügige Hilfe ohne Bedenken und ohne Zögern, obschon sie selber mit Glücksgütern nicht allzu reich gesegnet waren. Ihre damalige Hilfsbereitschaft war ein leuchtendes Beispiel menschlicher Solidarität. Das soll und muss ihnen unvergessen bleiben, und hier ist eine große Dankesschuld abzutragen. Wir sind der Überzeugung, dass die Neubürger aus dem Sudetenland in ihrer klaren politischen Erkenntnis einen guten Zuwachs für die bayerische Bevölkerung bedeuten, mit der sie gemeinsam den sozialen und geistigen Wiederaufbau der deutschen Demokratie in Angriff nehmen werden.“ Schon vorher wurde im Grußwort es als „oberste Pflicht, den Neubürgern das Haus zu bereiten und wohnlich zu gestalten, soweit das überhaupt noch in der uns verbliebenen Kraft steht. Immer wieder und auch heute richten wir den dringenden Appell an die Bevölkerung, alles zu tun, um den Neubürgern die helfende Hand zu reichen, damit sie in der neuen Heimat eine gute Bleibe finden.“ (Quelle: Bayersiche Staatsbilbliothek, digipress – Digitalisierte Zeitungen Bayerns! Mittelbayerische Zeitung, Nr. 29, 11.04.1947; Bericht über die Tagung von Marina Hammer in der MZ Nr. 30 vom 15.041947.)