„GELINZT ... die Euthanasie-Opfer aus dem Labertal“. Als Anderssein den Tod bedeutete.
So lautet das Thema des Historischen Themennachmittages am kommenden Sonntag, 4. März, um 17:00 Uhr im Gasthaus Wild in Geiselhöring, zu dem der SPD-Ortsverein und der SPD-Arbeitskreis Labertal die Bevölkerung einladen. Wieder geht es um ein erschütterndes Kapitel aus der dunklen Zeit der NS-Herrschaft auch in der Region an der Großen und Kleinen Laaber. Der Historiker Dr. Norbert Aas aus Bayreuth schildert die Gräuel der Euthanasie in der Nazizeit. Denn auch aus dem Labertal wurden behinderte Menschen in die Gaskammern von Hartheim/Linz deportiert.
Nach den „Todesmärschen durch das Labertal“ und dem „Polenkinderlager in Laberweinting“ macht auch der Vortrag „GELINZT ... die Euthanasie- Opfer aus dem Labertal“ deutlich, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht irgendwo, sondern überall - auch in unserer Region - verübt wurden. Gerade die aktuell zunehmenden Aktivitäten der Neonazis in Niederbayern werfen ein ganz besonderes Licht auf diese Taten, denn an der menschenverachtenden und mörderischen Gesinnung der Nazis hat sich bis heute nichts geändert. In einer Zeit des demographischen Wandels, der zunehmenden Überalterung und ansteigenden Demenzerkrankungen, müssen die bösartigen Folgen einer Diskussion über „unwertes Leben“ genau beachtet werden.
Die Schierlinger SPD nimmt an der Veranstaltung in Geiselhöring teil und bietet für die Interessierten eine Mitfahrgelegenheit an. Anmeldungen nimmt die SPD-Ortsvorsitzende Madlen Melzer, Tel. 0151-212 33 632, entgegen.
Die Würde der Opfer durch Erinnern wieder herstellen
Dr. Norbert Aas aus Bayreuth will mit seinem Vortrag zum Historischen Themennachmittag „GELINZT ... die Euthanasie-Opfer aus dem Labertal“ des SPD-Arbeitskreises Labertal in Geiselhöring verhindern, dass weiterhin der Mantel des Vergessens über das schreckliche Leiden vieler Behinderter und kranker Menschen aus der Region Labertal gebreitet wird. Viele Bespiele belegen, dass beim Thema Euthanasie die Verbrechen der Nazis bis in die Familien vor Ort hinein gewirkt haben. Aus Geiselhöring(4), Neufahrn(2), Ergoldsbach(1), Pfeffenhausen(1), Rottenburg(4), Sünching(1), Aufhausen(1), Pinkofen(1), Schierling(1), Straubing(18) und Strasskirchen(2) kann Norbert Aas Fälle belegen. Euthanasie bedeutete in der Nazizeit Mord, verdeutlicht Dr. Norbert Aas.
Die Geschichte und die Maschinerie des Mordes an den Behinderten
Ausgehend von der Annahme, dass die Menschen mit ihren sozialen Netzen gegenüber Behinderten und psychisch Kranken der Natur ins Handwerk pfuschen, ja dass sie sogar die Verbreitung solcher Eigenschaften fördere und so eine „Gegenauslese” begünstige, wurde bereits im Jahre 1933 ein Gesetz erlassen, das es möglich machte, alle Menschen mit „angeborenem Schwachsinn, Schizophrenie, zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein, erblicher Fallsucht (Epilepsie), Veitstanz, erblicher Blindheit, erblicher Taubheit, körperlicher Missbildung und auch Menschen mit schwerem Alkoholismus” sterilisieren zu lassen. Doch damit nicht genug. Adolf Hitler verfasste im Herbst 1939 ein Schreiben, in dem er Ärzte ermächtigte, „nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischer Beurteilung ihres Krankheitszustandes den Gnadentod” zu gewähren. Ein Jahr später erlangte der Reichs- Justizminister Kenntnis von diesem Wunsch Adolf Hitlers. Und damit begann das Leid und das Sterben unzähliger behinderter und psychisch kranker Menschen - auch bei uns in der Region.
Zunächst wurden die Behinderten und Kranken aus den staatlichen Krankenhäusern und Heimen in die Tötungsanstalt nach Hartheim bei Linz verlegt. Als die staatlichen Einrichtungen Kapazitäten frei hatten, wurden Behinderte und Kranke aus den kirchlichen Einrichtungen „verlegt”. Zunächst in staatliche Anstalten, dann ebenfalls in die Todesanstalten. In dieser zweiten Phase waren auch zahlreiche Menschen aus dem Labertal betroffen, darunter etliche Kinder, schilderte Dr. Norbert Aas.
Die Behinderten, die nach Münchshöfen und Straubing bzw. Mainkofen gebracht wurden, wurden später in kleinen Grüppchen nach Hartheim/Linz gebracht. Aus dem Antoniusheim in Münchshöfen (Lkrs. Straubing-Bogen), einer Einrichtung für behinderte Frauen, holte man 107 Personen ab und deportierte sie ins Schloss Hartheim bei Linz, wo alle 107 von den Nazis ermordet wurden. Aus der Pflegeanstalt der Barmherzigen Brüder in Straubing erlitten etwa 360 Bewohner dieses schreckliche Schicksal. Nach ersten wissenschaftlichen Schätzungen sollen in Hartheim wohl 6.000 Menschen aus Bayern, aus ganz Deutschland wahrscheinlich 70.000 Menschen umgebracht worden sein. „Aber es gibt auch Schätzungen, die von 250.000 Toten ausgehen”, erklärt Norbert Aas. Er selbst erarbeitete eine namentliche Zusammenstellung aller bayerischen NS-Opfer, die in Hartheim sterben mussten.
Später, als die Bevölkerung hellhörig wurde, von Bussen erzählte, die leer wieder weg fuhren, und von seltsamen Sterbefällen, änderte die NS- Regierung ihre Masche. Behinderte und psychisch Kranke wurden mit Medikamenten vergiftet oder man ließ sie langsam verhungern. Der Nachweis dieser Opfer ist schwer: Doch die Sterberaten in den Krankenhäusern schnellten in die Höhe... Ab August 1941 ist dann die „dezentrale Euthanasie" besonders durch Vernachlässigung praktiziert worden, gesteigert durch den „Hungerkost- Erlass". Bis Kriegsende wurde die Kinder-„Euthanasie“, bei der körperlich oder geistig behinderte Kinder bis zum Alter von drei Jahren getötet wurden, durchgeführt. Im weiteren Kriegsverlauf fielen diesem Programm in speziell hierfür eingerichteten „Kinderfachabteilungen“ auch ältere Kinder und Jugendliche zum Opfer.