Delegation aus der Oberpfalz auf Einladung von MdB Marianne Schieder in Berlin
Am 29. Juni 2011 hatte die SPD-Bundestagsfraktion erneut zu einer hochrangig besetzten Betriebs- und Personalrätekonferenz nach Berlin zum Thema „Gesundheit zukunftssicher organisieren“ eingeladen. Aus dem gesamten Bundesgebiet kamen über 450 Arbeitnehmervertreter aus den Betrieben und Gewerkschaften zu der traditionellen Konferenz, um sich mit der SPD über arbeitspolitische Themen auszutauschen.
Auch aus der Oberpfalz nahmen auf Einladung von MdB Marianne Schieder drei Betriebsräte teil: Werner Zierer, Betriebsratsvorsitzender BMW AG für die Werke Regensburg und Wackersdorf sowie Mitglied des Gesamtbetriebsrates und Europa-Betriebsrates, Thomas Kroggel aus Cham, örtlicher Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat der Volksfürsorge und Karl-Heinz König, Betriebsratsvorsitzender der Firma Rohrwerk Maxhütte GmbH.
Beherrschendes Thema der Konferenz war das Gesundheitssystem. Unter dem Titel „Bürgerversicherung – solidarisch gerecht und leistungsfähig“ stellte SPD-Generalsekretärin MdB Andrea Nahles das Krankenversicherungsmodell der SPD vor. Die Bürgerversicherung sei gerecht, weil alle gemäß ihres Einkommens in die Versicherung einzahlten und sie sei leistungsfähig. Ihre Finanzierung über die drei Säulen Bürgerbeitrag, Arbeitgeberbeitrag und Steuerbeitrag sorge dafür, dass ausreichend Mittel für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stünden.
Die seit dem 1. Januar in Kraft getretene Gesundheitsreform der Bundesregierung wurde von Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach weiter ausgeführt. Die Bundesregierung habe sich vom Solidarprinzip verabschiedet und dafür entschieden, alle kommenden Ausgabensteigerungen allein über die Zusatzbeiträge zu finanzieren. Er prognostizierte ein unbegrenztes Ansteigen der Zusatzbeiträge und dass die Finanzierung des Sozialausgleichs, auf den nur sehr wenige hoffen könnten, ungeklärt sei. Das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrages sei ein schwerer Fehler von Schwarz-Gelb – die Versicherten würden das noch stark zu spüren bekommen.
Am Beispiel der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen sprachen zwei Referenten des Instituts Arbeit und Technik über „Krankenhäuser als Innovationstreiber der Wirtschaft“ und über „Soziale Gesundheitswirtschaft: Mehr Gesundheit, gute Arbeit, qualitatives Wachstum“. Dabei gehe es um ein tragfähiges Zukunfts- und Kooperationsmodell, das sowohl die sozialen und gesundheitlichen Interessen der Bevölkerung bediene, als auch die wirtschaftlichen Potenziale der Branche entfalte.
Innovation hänge immer auch mit guten Rahmenbedingungen für die Beschäftigten zusammen. Das Gesundheitswesen, besonders im Krankenhausbereich, werde zunehmend nur unter dem Blickwinkel der finanziellen Nachhaltigkeit und Kosteneindämmung gesehen. Dabei dienten die Krankenhäuser doch einem gesellschaftlichen Nutzen und weniger der ökonomischen Produktivität. Die Finanzierung der Sozialversicherungen dürfe nicht gefährdet werden, betonte Thomas Kroggel, örtlicher und Gesamtbetriebsrat der Volksfürsorge.
Sowohl die aktuellen Fragen nach den mit der Gesundheitsreform verbundenen Folgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch die Problematik der gesundheitlichen Belastungen im Berufsleben wurden in der anschließenden Diskussion angesprochen. Für die Betriebe sei es wichtig, die Gefahren physischer und psychischer Erkrankungen zu erkennen, die Stressfaktoren zu minimieren und Strategien für ein effektives Gesundheitsmanagement zu entwickeln, sagte dazu BMW-Gesamtbetriebsrat Werner Zierer. BMW lege gesteigerten Wert auf gesundheitliche Vorbeugung und habe gerade für ältere Arbeitnehmer in Zusammenarbeit mit der Belegschaft die einzelnen Arbeitsplätze überprüft, die Arbeitsabläufe optimiert und die Arbeitsbedingungen erleichtert.
Die Tendenz, dass zunehmend die Stammbelegschaften durch billigere Leiharbeitskräfte ersetzt werden, müsse dringend gestoppt werden, forderte der Vorsitzende der SPD-Bundestagfraktion, Frank-Walter Steinmeier, in seinem Vortrag über „Qualität der Arbeit“. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstütze die Forderungen der Gewerkschaften nach gleichem Lohn für Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer. „Gerade auch angesichts der geltenden Arbeitnehmerfreizügigkeit seit dem 1. Mai dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen“, führte Steinmeier aus. In den Hartz-IV-Verhandlungen habe die SPD-Bundestagsfraktion gegen den Widerstand von Union und FDP einen Mindestlohn für die Leiharbeit durchgesetzt. Beim Thema "gleiche Bezahlung" von Leiharbeitskräften und Stammbelegschaften scheiterte eine Einigung allerdings an der Blockade von Schwarz-Gelb.
Menschen sollten von einer Vollzeitbeschäftigung leben können und nicht noch ihre Bedürftigkeit offenbaren und Hartz IV beantragen müssen, betonten Thomas Kroggel und der Betriebsratsvorsitzende der Rohrwerk Maxhütte GmbH., Karl-Heinz König. „Das hat auch etwas mit der Würde der Arbeit zu tun. Wir dürfen die geringen Löhne nicht akzeptieren.“ Prekäre Arbeitsverhältnisse gefährdeten den sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft. Eine nachhaltige Wirtschaft könne nicht auf Billiglöhnen beruhen. Hier baue sich die zukünftige Altersarmut auf, wenn nicht gehandelt werde, fügten die beiden Betriebsräte hinzu. Dem schloss sich BMW-Betriebsrat Werner Zierer an. Er forderte eine stärkere Regulierung der Zeitarbeit und kritisierte die Fehlentwicklungen bei der Leiharbeit, die in der Regel in die Sackgasse führe und Arbeitnehmer zweiter Klasse schaffe. Nur ein Bruchteil werde wirklich übernommen, der allergrößte Teil springe von Job zu Job bei weniger Geld.
Am Rande der Veranstaltung trafen die Oberpfälzer Konferenzteilnehmer MdB Marianne Schieder. Sie dankte ihren Gästen für deren Engagement; sie unterstütze gerne einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch. Die Abgeordnete forderte von der Bundesregierung, ihre Blockadehaltung im Kampf gegen Lohndumping aufzugeben. Alleine in Bayern gebe es 99.000 sog. Aufstocker, die zwar arbeiteten, aber von ihrem Lohn nicht leben könnten und daher staatliche Transferleistungen benötigten. „Die Bundesregierung ignoriert sowohl die Probleme des boomenden Niedriglohnsektors in Deutschland als auch die Gefahren durch die europäische Arbeitsmarktöffnung. Gegen Lohndumping helfen keine leeren Worte, sondern nur die Härte des Gesetzes. Dazu gehören ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro, gleicher Lohn für gleiche Arbeit in der Leiharbeit und die Aufnahme aller Branchen in das Entsendegesetz.“