Bei der Ausstellungseröffnung „Von der DSAP zur Seliger-Gemeinde - die sudetendeutschen Sozialdemokraten“ in Straubing: v.l.: Rainer Pasta, MdL Reinhold Perlak, Karl Garscha, Bundesvorstand Seliger-Gemeinde, BGM Hans Lohmeier und Theodor Seethaler, Vorsitzender der Kreisgruppe Straubing der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Widerstand-Verfolgung-Vertreibung-Integration
Ausstellung „wichtig für Straubing und wichtig für die Sozialdemokratie in der Stadt“
Die diesjährige Themenreihe des AK Labertal „Widerstand-Verfolgung-Vertreibung-Integration“ begann am 22. April in Straubing mit einem Vortrag von Albert Eichmeier zum „Kleinen Widerstand in Straubing“ und dem direkten Bezug der bayerischen und sudetendeutschen Sozialdemokraten im Widerstand. MdL Reinhold Perlak, selbst Mitglied der Seliger-Gemeinde, eröffnete die Ausstellungsreihe am 23. April im Salzstadel in Straubing – hier wird sie bis zum 5. Mai zu sehen sein.
In seiner Eröffnungsrede erinnerte MdL Reinhold Perlak an die rund 13.000 Vertriebenen, die in Stadt und Landkreis Straubing trotz ihres schweren Schicksals am Wiederaufbau entscheidend mitgewirkt haben und er lobte die bemerkenswerte Integrationsleistung der Nachkriegs-Gesellschaft . Perlak erinnerte aber auch an die „Treuegemeinschaft Sudetendeutscher Sozialdemokraten“, die 1951 die Seliger-Gemeinde gründeten. „Unrecht aufzuzeigen, Minderheiten zu schützen und für die Freiheit einzuschreiten“, so umriss Reinhold Perlak die Ziele der Seliger-Gemeinde. „Doch auch die Mahnung und das Gedenken an die zigTausend von den Nazis verfolgten und ermordeten sudetendeutschen Sozialdemokraten sowie an die Opfer von Flucht und Vertreibung gehören dazu. Nicht zuletzt verstehen sich die Mitglieder der Seliger-Gemeinde als Brückenbauer für ein gemeinsames Europa, weil ihnen die Aussöhnung und der Dialog mit den Tschechen wichtig ist“, so Perlak weiter. Abschließend ging er auf den Einfluss der sudetendeutschen Sozialdemokraten auf die BayernSPD ein. Zu den Gründungsmitgliedern der Seliger-Gemeinde zählten drei Abgeordnete des damaligen Landtags: Alfred Frenzel, Ludwig Walch sowie der spätere Vorsitzende der SPD-Fraktion und Landtagsvizepräsident, Volkmar Gabert. Er war von 1986 bis zu seinem Tod 2003 der am längsten amtierende Bundesvorsitzende der Seliger-Gemeinde.
Hans Lohmeier, SPD-Bürgermeister der Stadt Straubing sagte in seinem Grußwort, die Ausstellung „sei wichtig für Straubing und wichtig für die Sozialdemokratie in der Stadt.“ Er wünschte der Ausstellung viele Besucher, denn das Wissen um diese Zeit sei in der Gesellschaft nicht groß. Dass die Sudetendeutschen Sozialdemokraten gleich zwei Mal unter der Nazidiktatur gelitten hätten, sei bemerkenswert so Lohmeier. Nach der Verfolgung durch die Nazis folgte die Vertreibung. Lohmeier spannte schließlich den Bogen zu den Präsidentschaftswahlen in Frankreich, wo die Rechten 18 Prozent erlangen konnten und mahnte zur Vorsicht. Er weiß aber auch auf den positiven Einfluss der Vertriebenen hin, die neben ihrem Leid viel Wissen und Können in die Stadt, den Landkreis und ganz Bayern gebracht hätten.
„Ins KZ gegangen, weil sie ihre Heimat nicht verlassen wollten“
Theodor Seethaler, Kreisvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Straubing, erklärte in seinem Grußwort, dass die Geschichte der DSAP bis hin zur Seliger-Gemeinde, von 1919 bis heute fast 100 Jahre umfasst und vor allem die 1919 bis 1945/46 voll Dramatik gewesen seien. Waren die Sozialdemokraten anfangs echte Hoffnungsträger, mit der z.T. größten Fraktion im Parlament und als Minister in der Regierung auf Ausgleich zwischen Deutschen und Tschechen bedacht, so blieb ihnen der Erfolg wegen dem Widerstand der Tschechen und der anhaltenden Wirtschaftskrise, die vor allem die Sudetendeutschen traf, versagt. Bei den entscheidenden Wahlen votierten die Sudetendeutschen mehrheitlich für die Sudetendeutsche Partei des Nazis Hänlein. Was folgte waren Verfolgung und vielfacher Tod in den KZs. Seehthaler verwies auf den Gründer der DSAP, Josef Seliger, der als Initiator für den Generalstreik 1919 verantwortlich gewesen war, bei dem 1919 die Tschechen ein Blutbad unter den Arbeitern angerichtet haben. Nach dem Frühen Tod Seligers habe Ludwich Czech in der tschechischen Regierung als Fürsorgeminister für vergebens für bessere Verhältnisse gekämpft. Nach der Machtübernahme der Nazis 1938 sind viele Sudetendeutsche Sozialdemokraten ins KZ gegangen, weil sie ihre Heimat nicht verlassen wollten. Seethaler kündigte an, dass die Sudetendeutsche Landsmannschaft bei der diesjährigen Jahresfahrt auch den KZ-Gedenkort Theresienstadt besuchen und zum Gedenken an Ludwig Czech ein Blumengebinde niederlegen wollen.
Karl Garscha, vom Bundesverband der Seliger-Gemeinde führte anschließend in die Ausstellung ein. Er dankte allen, die zur Organisation der Ausstellung beigetragen haben und erinnerte, dass nach dem Tod des Vorsitzenden Volkmar Gabert 2003 die Seliger-Gemeinde vor dem Ende gestanden habe. Motiviert von ihrer Granddame, Olga Sippl, rafften sich die Mitglieder auf und begründeten in einer Zukunftswerkstatt einen Neuanfang – so entstand auch die nun gezeigte Ausstellung im Jahre 2005. Garscha skizzierte kurz die inhaltlichen Schwerpunkte der Ausstellung von der Gründung der DASP bis hin zur Seliger-Gemeinde heute. Er verschwieg nicht die Spannungen und das wechselhafte Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen bis zur praktizierten Aussöhnung und dem wachsenden Vertrauen im vereinten Europa. Auch Garscha verharrte beim Widerstand und der Verfolgung von rund 28.000 Sudetendeutschen aufgrund ihrer politischen Gesinnung – nicht zu vergessen die sudetendeutschen Juden. In diesem Zusammenhang erzählte Garscha von den Erlebnissen der nach Kanada ausgewanderten Sudetendeutschen. Mussten sie zuerst 1500$ pro Person aufbringen um über London nach Kanada zu emigrieren, wo sie als Arbeiter bei den Eisenbahngesellschaften Pionierarbeit im „Wilden Westen“ Kanadas leisten mussten. Garscha ließ aber auch aufblitzen, dass die Vertriebenen nicht immer mit offenen Armen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen empfangen wurden. Die Probleme bei der Familienzusammenführung und die dringende Beschaffung von ausreichend Wohnraum begleiteten die Wiederaufbauarbeiten. Garscha verwies, neben den bisher genannten, auf Prof. Peter Glotz und Albrecht Schläger– beide ehemalige Abgeordnete des Landtags sowie Dr. Helmut Eikam als namhafte Mitglieder der Seliger-Gemeinde.
Im Rahmenprogramm finden sich auch der Vortrag „Unser gemeinsames Haus Europa“ am 29. April von Christa Naas, MdL, vertriebenenpolitische Sprecherin der SPD-Land-tagsfraktion. Sie stellt die aktuelle Position der BayernSPD zu Vertreibung, Migration und Integration dar. Abschließend lädt die SPD zum Zeitzeugengespräch „Widerstand – Verfolgung – Vertreibung – Integration“ am 4. Mai in den Sturmkeller ein. StraubingerInnen erinnern sich an ihre persönlichen Erlebnisse und schlugen die Brücke vom Gestern zum Heute. Die interessierte Bevölkerung ist herzlich eingeladen. Ab 7. Mai ist die Ausstellung dann im evangelischen Pfarrsaal in Geiselhöring zu sehen. Über Rottenburg (Schlossklinik Oberhatzkofen), Vilsbiburg (Krankenhaus) und Mallersdorf-Pfaffenberg wandert sie über Schierling schließlich nach Regensburg, wo sie rechtzeitig zur 120-Jahrfeier de BayernSPD im Kolpingsaal zusehen sein wird.